7. Update Dreizack des NeptunAuf die Idee, dass es sich bei den 3 merkwürdigen lanzenartigen Spitzen auf dem Vorderteil des Schiffs um den Dreizack des Meeresgottes
Neptun handeln könnte, bin ich ja auch erst durch eine fast schon beiläufige Bemerkung eines Modellbaukollegen in einem anderen Forum gekommen, als er dort postete: „ ... Zur Heraldik kommt ja noch der Dreizack hinzu, den man vorn über der Krokodilsschnauze sieht ... “
Dabei war es doch so naheliegend, an dieser Stelle den dynamisch nach vorn, das heißt in Angriffsrichtung gehaltenen Dreizack des für die Marine "zuständigen" Schutzgottes
Neptunus zu vermuten. "Gehalten" beschreibt diesen Vorgang übrigens ganz gut. Ich hatte mich auch immer gefragt, was diese runde Struktur unterhalb des Medusenhauptes wohl zu bedeuten hatte.
Aber da kannte ich auch das nachfolgend von mir vergrößerte, schön detaillierte Foto aus dem Internet noch nicht. Im Zusammenhang mit der Deutung der Lanzenspitzen als Dreizack des Neptuns könnte man die runde Struktur nun auch als die den Dreizack haltende Faust des Meeresgottes einordnen. Siehe nachfolgende Vergrößerung:

Quelle: vergrößerter und farblich editierter Ausschnitt aus:
https://www.agefotostock.com/age/en/Stock-Images/Rights-Managed/IBR-708659Dabei fällt auf, dass der ausführende Bildhauer seinerzeit darauf verzichtet hatte, die hier von oben nach unten führende Verbindung zwischen den 3 Spitzen des Dreizacks einzumeißeln, vermutlich war ihm die Gefahr zu groß, die darunter liegende Struktur zu beschädigen. Ich habe diese fehlende Verbindung auf dem rechten Bildausschnitt gestrichelt dargestellt. Dreizack und Faust habe ich entsprechend obigem Bild auf die beiden Seiten meines Vorschiffs aufmodelliert - siehe unten nachfolgende Fotos zum Krokodil.
Obersporn in Form eines KrokodilsFür eine Zuordnung des auf dem Relief von
Praeneste abgebildeten Schiffes zur ägyptisch-römischen Flotte des
Marcus Antonius und der
Cleopatra spricht ja neben den anderen Attributen (
Marcus Antonius in den Voluten, Büsten der
Cleopatra in den rechteckigen Ausbuchtungen) vor allem das Krokodil, das bereits zu römischer Zeit als Symbol für Ägypten galt. Siehe hier zum Beispiel auf einer Münze des
Augustus, auf der mit dem Motto "
AEGYPTO CAPTA" (= Ägypten gefangen, sinngemäß für besiegt, erobert) an dessen Sieg bei
Actium erinnert werden sollte. "Ägypten" deshalb, weil die Propaganda des bei
Actium siegreichen
Octavian, des späteren ersten Kaisers
Augustus, die Auseinandersetzung mit
Marcus Antonius und
Cleopatra als einen Krieg gegen Ägypten, also als einen Sieg über eine ausländische Macht, und nicht als einen Bürgerkrieg mit
Marcus Antonius darstellen wollte:

Quelle:
http://www.geschichtsforum.de/thema/colonia-nemausus-aegypto-capta-motiv-warum.51513/Allerdings gibt es Darstellungen von Krokodilen auch auf älteren, d. h. vor der Seeschlacht von
Actium zu datierenden, Münzen. Ein gutes Beispiel ist die folgende Münze des
Caius Fonteius (C. FONT) aus dem Jahre 113 v. Chr., die direkt unterhalb des Vorderstevens den lang gezogenen Körper eines Krokodils zeigt:

Quelle:
http://www.coincircuit.com/coin-Auction/gerhard-hirsch-nachfolger/7130774/lot-2284-r%C3%B6mische-republik-fonteia-gerhard-hirschFür mich ist dabei aber vor allem bemerkenswert, dass sich das Krokodil auf den beiden älteren Münzen genau an der gleichen Stelle befindet wie auf dem Relief von
Praeneste, nämlich unterhalb des nach vorn gekrümmten Vorderstevens und oberhalb des Haupt-Rammsporns:

Quelle:
https://www.agefotostock.com/age/en/Stock-Images/Rights-Managed/IBR-708659Laut dem von mir schon des öfteren zitierten H. D. L. Viereck ("Die römische Flotte - Classis Romana", Seite 22 und 23) befand sich an dieser Stelle des Vorschiffs der sogenannte Obersporn (griech.:
Proembolion), der (hier in indirekter Rede wiedergegeben) " ... die Aufgabe hatte, das Oberwerk eines gegnerischen Schiffes zu zerstören und gleichzeitig ein zu tiefes Eindringen des Rammsporns in den Schiffskörper des Gegners zu verhindern ...". Meistens finden sich hier eiserne Nachbildungen von Tierköpfen (Wolf, Eber, Widder, Löwe oder eben in Form eines Krokodils), die wir vor allem von altrömischen Reliefs kennen, wie z. B. dieses mit der Darstellung eines Wolfskopfes:

Quelle:
http://luna.cas.usf.edu/~murray/actian-ram/Cmus02b.jpgIm vergangenen Jahrhundert hat man auch originale Artefakte bergen können, z. B. die Rammspitze aus dem Museum von Turin, die mit höchster Wahrscheinlichkeit einen Obersporn in Form eines Eberkopfes repräsentiert:

Quelle:
https://www.alamy.com/italy-piedmont-turin-polo-reale-royal-armory-ramshield-in-the-form-of-a-wild-boars-head-image179169387.htmlSolch ein Obersporn konnte aber auch rein funktional und quasi als verkleinerte Kopie des Haupt-Rammsporns ausgeführt sein, wie z. B. der sog. Rammsporn von Belgammel, im Jahre 1964 gefunden im Meer vor Tobruk, Libyen - siehe nachfolgendes Originalfoto und zeichnerische Rekonstruktion:


Quelle für beide Abbildungen:
https://phys.org/news/2013-04-bronze-warship-ram-reveals-secrets.htmlEin sehr schönes Beispiel für das Zusammenspiel von Obersporn (griech.:
Proembolion) und Haupt-Rammsporn (lat.:
Rostrum) liefert auch das Siegesmonument vom zentralen Platz (griech.:
Agora, lat.:
Forum) der Stadt
Cyrene in Libyen - das in Teilen restaurierte Monument zeigt ein Vorschiff mit darauf platzierter und stark beschädigter Siegesgöttin (lat.:
Victoria bzw. griech.:
Nike):

Quelle:
https://en.wikipedia.org/wiki/File:Archaeological_Site_of_Cyrene-109029.jpgFür diese beiden zuletzt gezeigten, rein funktionalen Obersporne trifft die o. g. Beschreibung von H. D. L. Viereck sicher zu, bei anderen eher nicht. So hat man z. B. (ausgerechnet) in den Gewässern bei Actium, in der Bucht von Preveza, diesen heute im Britischen Museum zu London aufbewahrten Bronzebeschlag gefunden, der zwar schön erkennen läßt, wie er ursprünglich an 4 zusammen laufenden Längsbalken vorn am Bug befestigt war, der aber viel zu klein war, um als etwaiger Obersporn größeren Schaden anzurichten und wahrscheinlich nur zur Dekoration eines kleineren Schiffes diente, vielleicht eines größeren Verbindungsbootes:

Quelle:
http://www.britishmuseum.org/research/collection_online/collection_object_details.aspx?assetId=36897001&objectId=465355&partId=1Und damit zurück zum Relief von
Praeneste, auf dem ja eindeutig nicht nur der Kopf, sondern sogar ein komplettes Krokodil dargestellt ist. Dabei ragt der Kopf aber nur wenig aus dem an dieser Stelle am weitesten nach hinten gebogenen Bug des Schiffes heraus. In dieser Version hätte das Krokodil als Obersporn wohl ebenfalls kaum die oben von H. D. L. Viereck beschriebene Funktionalität ausfüllen können, nämlich das Schanzwerk eines gegnerischen Schiffes zu zerstören oder ein zu weites Eindringen des Haupt-Rammsporns in das selbe zu verhindern. Möglicherweise hatte das Krokodil auf diesem Schiff eher apotropäische oder repräsentative Zwecke, etwa als ein Symbol für Ägypten.
Ich habe mich bemüht, den Krokodilkopf wegen des Wiedererkennungseffektes nicht zu realistisch wiederzugeben, sondern eher in der etwas plumperen, kürzeren Ausführung des Reliefs. Hier in einem ersten Bearbeitungsschritt der Rumpf und der fertige Kopf des Krokodils:

Den Riemenkasten habe ich nach vorne abgeschrägt habe, weil die werksseitige Ausführung von Zvezda an dieser Stelle äußerst unharmonisch aussah (vergleiche ältere Fotos in diesem Baubericht). Die Vorderseite des Riemenkastens wird noch verschlossen. Optional könnten hier die auf dem Relief nicht sichtbaren apotropäischen Augen aufgemalt werden, auf zeichnerischen Rekonstruktionen habe ich an dieser Stelle auch schon eine schuppenartige Verkleidung gesehen.
Im folgenden Nahaufnahme des Krokodils sowie von Faust und Dreizack
Neptuns. Wie üblich zeigt das Makro gnadenlos die vielen Unebenheiten auf, die am Original kaum auffallen bzw. zum Teil bereits verschliffen wurden:

Steuerbordseite:

Und von vorn:

Zuletzt das fertig gestellte Krokodil, Aufnahmen der ebenfalls fertigen Backbordseite folgen mit dem nächsten Update, das sich mit dem Haupt-Rammsporn (
Rostrum) befassen wird; das letzte Foto gibt ungefähr den Betrachtungswinkel der Relief-Vorlage wieder. Auf dem Rücken, zumindest am Schwanz, sind wie beim Relief-Vorbild noch ein paar kleine dreieckige Zacken aufzumodellieren; dies wird aber bis zum nächsten Update nachgeholt. Zum V:


Quelle des stark verkleinerten, eingeklinkten Vergleichsfotos:
http://www.ancientportsantiques.com/wp-content/uploads/Documents/ETUDESarchivees/Navires/Photos/Praeneste%20relief.jpgWird fortgesetzt LG - Uwe